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Thorsten Wolf | Agile4Work

Komplex vs. Kompliziert


Kompliziert Mechanische Uhren sind kompliziert. Sie bestehen oft aus über 1500 Einzelteilen und man spricht dann von großen Komplikationen. Dabei sind alle Einzelteile miteinander verbunden und haben ihre Funktion. Wer als Laie eine solche Uhr erklären, geschweige denn Reparieren möchte ist völlig aufgeschmissen. Aber ein Uhrmacher nicht: er hat das nötige Wissen. Und so lässt sich ganz allgemein sagen: Kompliziertes ist mit ausreichendem Wissen darüber beherrschbar. Mit dem richtigen Wissen ist das Verhalten vorhersehbar. Solange die Uhr nicht kaputt ist, wird durch Betätigung der Drücker immer das gleiche Ereignis ausgelöst, z.B. die Stoppfunktion oder das Einstellen einer 2. Zeitzone. Hier gibt es keine Überraschungen. Kompliziertheit ist also relativ. Für den Laien ist eine mechanische Uhr extrem kompliziert, für den versierten Uhrmacher dagegen einfach. Anders ausgedrückt: Kompliziertheit ist ein Maß für Unwissenheit. Sie verschwindet durch Lernen. Komplex Komplexität ist das Maß für die Menge der Überraschungen, mit denen man rechnen muss. Theoretisch (und praktisch) beeinflusst der Flügelschlag eines Schmetterlings in Florida durch die entstehende Luftbewegung das Wetter in der Pfalz. Und da sich die unzähligen Variablen, die unser Wetter bestimmen, nicht nur schwer erfassen, sondern auch nicht vorhersagen lassen, ist Wetter eben komplex. Komplexes – oder komplexe Systeme – bestehen in Unternehmen aus Menschen. Menschen entscheiden immer wieder selbst, welche Folgeoperation sie aus einem vorangegangenen Zustand wählen. Also insbesondere was sie sagen, wenn etwas anderes zuvor gesagt wurde oder was sie tun, wenn etwas anderes zuvor getan wurde. Genau diese Entscheidung über die Folgeoperation ist nicht vorhersehbar, sie könnte immer auch anders ausfallen. Und genau daher sind komplexe Systeme für sich und andere eine Kette von Überraschungen. Je größer die Vielfalt, aus der permanent ausgewählt werden muss, umso größer ist die Komplexität eines Systems. Weitere sinnvolle Beispiele für komplexe Systeme sind Spiele, besonders Fußball. Genauso sind aber auch Abteilungen, Gruppen oder Teams komplexe Systeme. Selbst die kleinste denkbare Gruppe, bestehend aus zwei Personen ist voller Überraschungen, also komplex. Aus den oben genannten Punkten ergeben sich für Führung ganz bedeutsame Erkenntnisse: Komplexe Systeme lassen sich zwar beobachten, aber nicht zielgerichtet steuern und auch nicht kontrollieren. Jede Handlung, jeder Satz, jede Geste kann und wird ein komplexes System beeinflussen, aber die Reaktion ist nicht vorhersehbar. Auch Nicht-Handeln kann Einfluss auf ein System haben. Das liegt daran, dass komplexe Systeme lebendig sind, sie agieren für sich. Daher sind Handlungen eines komplexen Systems auch nicht allein aus den Impulsen von außen zu erklären oder zu steuern.

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