Agiles Manifest
Oder: die goldenen Prinzipien agiler Organisationen.
Bei "agil" geht es zu oft um Methoden wie Scrum, Kanban, Design Thinking und ähnlichem. Sucht man nach agilen Prinzipien stösst man unweigerlich auf das Agile Manifest von Ken Schwaber, Jeff Sutherland und Mike Beedle, den ursprünglichen Entwicklern von Scrum.
Betrachtet man diese Prinzipien stellt man fest, dass sie für die Entwicklung von Software oder Produkten zwar bestens geeignet sind, als Grundlage agiler Unternehmensführung aber nicht ausreichen.
Daher ist es Zeit, für ein Agiles Manifest der Unternehmensführung. Und "agil" ist dabei wörtlich gemeint: jeder ist hiermit herzlich zur Mitgestaltung eingeladen!
Arbeitsorganisation
Wer Verantwortung zerteilt, Arbeitsprozesse und Leistungserbringung funktional zergliedert, zerstört den Zusammenhang der Wertschöpf- ung, also der eigentlichen Arbeit.
Dezentrale Netzwerke aus ergebnisverant-wortlichen, funktional integrierten Teams. Entlang der Wertströme organisiert und von funktionalen Fachteams unterstützt.
Märkte / Kunden
Wer Mitarbeiter auf Hierarchie und Machtbe-ziehungen ausrichtet erntet Bürokratie, Passivität und innere Kündigung.
Mitarbeiter auf den Markt und die Kunden ausrichten.
Führung
Wer versucht, Mitarbeiter gezielt zu steuern und bis ins Detail Anweisungen und Vorschriften zur Leistungserbringung ausgibt, wird täglich mit den eigenen Grenzen konfrontiert: Absprachen werden nicht eingehalten, Regeln und Vorschriften umgangen. Mitarbeiter machen Dienst nach Plan.
Teams und Mitarbeitern Freiheit und Raum zum Handeln geben. Regeln entstehen im Prozess, durch die Beteiligten. Verbindlichkeit durch Akzeptanz. Das generiert Identifikation und Engagement.
Leistung
Wer Leistung an der Erfüllung von Plänen, dem Erreichen fixierter, selbstgesteckter Ziele und der Einhaltung von Regeln und Vorschriften bemisst, erschafft Bürokratie und Selbstver-waltung, also Arbeit ohne Wertschöpfung.
Allen Mitarbeitern wird ermöglicht, selbstver-antwortlich zu denken und zu handeln. Der Kunde gibt vor, was zu tun ist. Jeder Mitarbeiter ist verantwortlich für die Umsetzung und das Ergebnis. Das ist Selbstorganisation.
Transparenz
Wer Zugang zu Informationen begrenzt schafft Macht bei Informierten und Ohnmacht bei Nicht-Informierten. Dadurch wird die Handlungs-kompetenz der Mitarbeiter eingeschränkt. Informationsmacht dient nie dem Gemeinwohl und somit niemals dem Unternehmen.
Alle Informationen sind für die Mitarbeiter schnell und einfach zugänglich. Nur wer Infor-mationen hat, kann Entscheidungen treffen. Mitarbeiter werden zu Mit-Unternehmern.
Zielvorgaben
Wer willkürliche fixierte Ziele als Vorgaben zur Steuerung seiner Mitarbeiter missbraucht, dabei die generelle Komplexität von Leistungsmess-
ung ignoriert, misstraut dem Leistungswillen seiner Mitarbeiter und zwingt sie, sich mehr der Manipulation von Zahlen zu widmen als sich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren.
Wenige, einfache, langfristige, hoch gesteckte, sich selbst aktualisierende, also flexible Ziele. Immer in Verbindung mit dem Markt, dem Wettbewerb, vergleichbaren Teams, also in Relation zu einem sinnvollen Maßstab. Zur Orientierung und Selbstkontrolle. Niemals als Anreiz oder zur Fremdkontrolle.
Vorbereitung
Wer langfristig im Voraus plant, ignoriert die Unvorhersehbarkeit von Zukunft und die Erkenntnisse der Systemtheorie. Genauso wie die Dynamik komplexer Systeme. Es wird wichtiger, Dinge richtig zu tun – in diesem Fall Pläne – anstatt die richtigen Dinge zu tun – also flexibel auf Veränderung zu reagieren.
Zukunft ist nicht planbar. Also müssen wir vorbereitet sein, in direktem Kontakt mit den Kunden und dem Markt, flexibel auf Veränder-
ung zu reagieren. Wir müssen lernen zuzu-
hören, mit Unsicherheit umzugehen und Alternativen zum spätest möglichen Zeitpunkt
zu wählen.
Entscheidungen
Wer Zuständigkeiten verwaltet, Verantwortung und Entscheidungsbefugnis zentralisiert, der trennt Denken und Handeln voneinander und entkoppelt das Unternehmen vom Markt und seinen Kunden. Statistisch treffen einzelne Manager nicht weniger Fehlentscheidungen als deren Mitarbeiter.
Entscheiden ist unternehmerisch – und somit risikobehaftet. Intuition ist natürlicher Bestandteil von Entscheidungen und eine wichtige Ressource. Jeder im Unternehmen wird für Entscheidungen bezahlt. Und jeder entscheidet. Unter konsequenter Anwendung der Werte und Prinzipien des Unternehmens.
Qualität
Wer Prozesse bis ins Detail plant, ISO-Zertifi-zierung einführt, unternehmensweite Standards schafft, all das entwickelt und die Einhaltung kontrolliert, verwaltet sich selbst. Abgekoppelt von Wertschöpfung dafür mit hohem Engage-mentverlust bei den Mitarbeitern.
Teams erschaffen Standards selbst, wo diese zweckdienlich sind. Prozesse sind übersichtlich und passen sich flexibel den Anforderungen an. Mitarbeiter achten engagiert auf Qualität bereits innerhalb der Wertschöpfungsflüsse - nicht erst am Ende.